Mein Leben im Spannungsfeld.
Spannungsfelder entstehen, weil mir meine Gedanken, meine Gefühle und mein Verhalten nicht bewusst sind. Ich habe mich daran gewöhnt so zu sein und bemerke nicht, wenn ich mich selbst oder jemand anderen verletze.
Ob ich mich als Täterin oder als Opfer wahrnehme, bzw. fühle ist von meiner subjektiven Wahrnehmung abhängig. Ich interpretiere, beurteile und bewerte meine Gefühle, meine Gedanken und mein Verhalten genauso wie die Worte und das Verhalten der Menschen in meinem Umfeld. Neben der bewussten Einordnung / Wertung in: mag ich und mag ich nicht, findet eine zumeist unbewusste in Täterin oder Opfer statt, wenn ich mich selbst in der Opferrolle wähne, bewerte ich andere schnell als Täterinnen.
Aber ich bin nicht dazu bereit, mir mein eigenes Täterinnenverhalten einzugestehen und schon gar nicht anderen gegenüber. In manchen Situationen trete ich zwar als Täterin auf, würde das aber niemals so nennen, ich sorge ja nur dafür, alles zu bekommen was ich brauche und was mir zusteht. Meine Opferseite hingegen trage ich nur allzu gerne wie eine Monstranz vor mir her. Ich würde mich aber selbst nie als Opfer bezeichnen, ich zeige allen: „Seht her, ich bin unschuldig, ich kann nichts dafür, ich habe doch Garnichts getan. Rettet mich!“
Zwischen Täterin und Opfer ist eine ständige Spannung, egal ob es sich um eine andere Person und mich oder um zwei Anteile meiner Persönlichkeit handelt. Die dominanten Gefühle in diesem Spannungsfeld sind Angst, Schuld, Zweifel, Macht, Hass, Aggression, Bedürftigkeit, Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Im Außen und in meinem Inneren entstehen so ständig Spannungsfelder die meine Gedanken, Gefühle und mein Verhalten beeinflussen:
Ich bin aggressiv und mein Gegenüber ist ohnmächtig oder ich habe Angst und mein Gegenüber sagt ich soll mich nicht so anstellen. Zwischen uns entsteht eine Spannung, der ich nur entkommen kann, wenn ich gegen mein Gegenüber kämpfe oder aus der Situation gehe. Beides kann eine Erleichterung für den Moment sein, wird aber nicht zu einer Lösung unseres Problems führen. Wenn wir unsere Spannung nicht in einem Gespräch oder mit professioneller Unterstützung klären (Traumaorientierte Gesprächs- oder Paartherapie), wird jede von uns die Gefühle verdrängen. Die Spannung wird so von außen nach innen verlagert.
Ich bin genervt und aggressiv, gleichzeitig fühle ich mich schuldig und ohnmächtig oder ich habe Angst und fühle mich gelähmt, gleichzeitig mache ich mir selbst Druck nicht so ein Jammerlappen zu sein. Diese Spannungen scheinen ausweglos und lassen sich in einer akuten Situation auch nicht alleine lösen. Ohne professionelle Unterstützung kann ich nur Atmen, mich ablenken und abwarten bis die Emotionen abklingen um dann wieder in meiner Verdrängung zu verschwinden. Wenn ich die Gefühle ausagiere (bspw. Aktivität – laufen, holzhacken oder Ausdruck – weinen, da sein lassen / erstarren) hilft das möglicherweise für den Moment, aber auf lange Sicht führt Aktionismus zur Verstetigung verdrängter Emotionen und einer Verfestigung meiner Überlebensstrategie.
Um mich aus diesen Spannungsfeldern zu befreien ist es notwendig,
- zu erkennen, wie ich zwischen beiden Anteilen wechsele und sie zu meinem Vorteil nutzte.
- zu erkennen auf welcher Seite ich mich wohler fühle und warum das so ist.
- zu verstehen, wie dieses Spannungsfeld mein Leben beeinflusst.
- mich nicht schuldig zu fühlen, sondern Verantwortung für mein Verhalten zu übernehmen.